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Eröffnung: "Königsberger Straße – Heimat in der jungen Bundesrepublik"

Landleben von 1949 bis 1979 erleben: Die Königsberger Straße im Freilichtmuseum am Kiekeberg ist mit dem Flüchtlingssiedlungshaus eröffnet


Rosengarten, 4.7.2023 – Zeitgeschichte zum Anfassen – ein wie 1963 eingerichtetes Flüchtlingssiedlungshaus im Freilichtmuseum am Kiekeberg führt Besuchende in die jüngere Vergangenheit, an die sich viele noch erinnern. Drei Generationen wohnten in dem fast sieben Jahrzehnte alten Haus in Tostedt im Landkreis Harburg. 2021 hatte das Freilichtmuseum das Wohnhaus als Ganzes an den Kiekeberg versetzen lassen. Nach umfangreichen Restaurierungs- und Einrichtungsarbeiten wurde das Gebäude und damit nun die komplette Königsberger Straße am 23. Juni eröffnet: 1200 Mitglieder des Fördervereins des Museums, weitere Projektfördernde sowie Vertretende aus Kultur und Politik haben den Erfolg gefeiert. An dem ersten Wochenende nutzten trotz hochsommerlicher Hitze etwa 2000 Besuchende die Gelegenheit die fertige Königsberger Straße zu erkunden. In der Baugruppe Königsberger Straße steht das Haus für das Ankommen von Geflüchteten und Vertriebenen sowie für den Aufbau einer neuen Existenz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Flüchtlingssiedlungshaus ist das am frühesten erbaute Wohnhaus in der Königsberger Straße. Mit dem Gebäude konnte das Freilichtmuseum ein typisches Siedlungshaus aus dem Landkreis Harburg sichern, das baulich nur wenig verändert wurde. Das Erbauerpaar Bruno und Herta Matz stammte aus Ostpreußen. Die inhaltliche Projektleiterin Dr. des. Zofia Durda berichtete: „Das Haus ist vor allem fotografisch sehr gut durch die Familie Matz dokumentiert und enthielt noch Gegenstände aus den 1950er und 1960er Jahren. Mit ihren privaten Dokumenten und Erinnerungen hat die Familie uns Forschende sehr unterstützt.“

Sabine Stelzer, Tochter der Erbauer, übergab ihr Elternhaus und die Familiengeschichte dem Freilichtmuseum und resümierte zur Eröffnung schlicht: „Es ist gut, dass das Haus erhalten bleibt. Es abzureißen, wäre traurig gewesen.“ Vor allem der Selbstversorgungsgarten, in dem sie auch gern schaukelte und Federball spielte, und ihr Kinderzimmer seien ihre Lieblingsplätze gewesen, sagte sie. Sabine Stelzer erinnerte sich daran, dass die Familie das Obst in der Sommerküche direkt weiterverarbeitete und Teile der Ernte zur Verbesserung der Haushaltskasse auch verkauft hatte. Rückblickend schätzte sie das einfache Leben, vor allem die Gemeinschaft mit vielen Besuchen und Festen. Ihre Eltern wohnten im Erdgeschoss des Wohnhauses und sie sowie die Großeltern im Obergeschoss.

Mit dem Projekt „Königsberger Straße – Heimat in der jungen Bundesrepublik“ hat das Freilichtmuseum am Kiekeberg bundesweit Einmaliges geschaffen: Fünf Häuser ­mit ihren Ausstellungen und Gärten, ein Spielplatz, Straßenlaternen, Verkehrsschilder und eine Telefonzelle erzählen Zeitgeschichte von 1949 bis 1979 auf dem Dorf. Zum Vermittlungskonzept gehören regelmäßige Führungen, Vorführungen, Mitmachaktionen und Darstellungen der „Gelebten Geschichte“. Zehn Jahre Planungs- und Forschungszeit sowie eine fünfjährige Bauphase liegen hinter dem Museumteam. Stefan Zimmermann, der seit fünf Jahren Direktor des Freilichtmuseums ist, dankte vor allem den Vorbesitzenden der Gebäude und Läden für ihr Vertrauen, den Fördernden für ihre finanzielle Unterstützung und seinem Vorgänger, Prof. Dr. Rolf Wiese, für dessen Idee und Drittmittelbeschaffung des Projekts.

Elf Institutionen haben das auf 6,14 Millionen Euro angelegt Projekt unterstützt – viele von ihnen waren zur Eröffnung gekommen. Der Förderverein des Freilichtmuseums, der stolze 13 500 Mitglieder zählt, beteiligte sich mit 72 000 Euro an dem Bau. Für den Vorsitzenden Heiner Schönecke besteht „das Erfolgsgeheimnis des Museums aus der Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein und dem Hauptamt“ (Stiftung), die das Museum tragen.

„Sehr gern hat das Land Niedersachsen das Projekt mit 600 000 Euro als sinnvolle Erweiterung des Museumsspektrums unterstützt“, sagte beim Festakt Corinna Fischer, Abteilungsleiterin Kultur des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Sie sei selbst in so einem Siedlungshaus in den 1970er Jahren groß geworden, verriet sie. Die Geschichte nach 1945 sei „Teil unserer Landesgeschichte“ und die Erinnerung daran könne Vorbild sein für die heutige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, erklärte Corinna Fischer.

Nadja Weippert, stellvertretende Landrätin des Landkreises Harburg und Mitglied des niedersächsischen Landtags, sieht in dem „Freilichtmuseum am Kiekeberg ein Aushängeschild für den Landkreis Harburg. Hier lässt sich Geschichte hautnah erleben.“ Das Projekt habe eine Bedeutung, die weit über den Landkreis hinausrage, da es ein Spiegelbild der bundesdeutschen Historie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die 1970er biete. Auch sie berichtete von Fluchterfahrungen aus ihrer Familie: Ihre Großeltern stammten aus Bessarabien und Vertreibung und Kriegstraumata wären an ihrem Küchentisch Themen gewesen, schilderte sie.

„Die Nachkriegsgeschichte unserer Region für die nachfolgenden Generationen zu bewahren“, war auch für Karin Schulz vom Amt für regionale Landesentwicklung Lüneburg ein wichtiges Anliegen. Das Amt hat die Königsberger Straße aus Mitteln der Metropolregion Hamburg mit rund 330 000 Euro gefördert.

  Bildrechte: Freilichtmuseum am Kiekeberg

v.l.:

Karin Beckmann, Landesbeauftragte des Amtes für regionale Landesentwicklung Lüneburg

Dominik Geilker, Referent für Umwelt und Naturschutz sowie für Denkmalschutz der Bingo-Umweltstiftung

Corinna Fischer, Abteilungsleiterin Kultur, Erwachsenenbildung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur

Klaus-Dieter Feindt, Vorsitzender des Ausschusses für Kunst, Kultur und Medien im Landkreis Harburg

Dr. des. Zofia Durda, inhaltliche Projektleiterin „Königsberger Straße“ der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg

Theda Boerma-Pahl, bauliche Projektleiterin „Königsberger Straße“, Architektin/Abteilungsleiterin Bauen der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg

Frithjof Brandt, stellvertretender Unterbezirksvorsitzender der SPD im Landkreis Harburg

Stefan Zimmermann, Direktor der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg

Michael Grosse-Brömer, Mitglied des Bundestages, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages

Professor Dr. Rolf Wiese, ehemaliger Direktor der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg und Vorsitzender Museumsverband Niedersachsen-Bremen

Carina Meyer, Kaufmännische Geschäftsführerin der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg

Sybille Kahnenbley, Stiftungsratsvorsitzende des Freilichtmuseums am Kiekeberg

Ines Rathje, Referentin der Geschäftsführung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung

Bodo Ihlenburg, stellvertretendes Mitglied des Vorstandes der Sparkasse Harburg-Buxtehude

Heiner Schönecke, Vorsitzender des Fördervereins des Freilichtmuseums am Kiekeberg

Bildrechte: Freilichtmuseum am Kiekeberg

Die Fördernden mit dem Museumsteam in der fertigen Königsberger Straße

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Dr. Henry Arends

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